Hippies im Containerhafen

Unser erstes anvisiertes Ziel auf dem zweiten Teil der Reise war Ruigoord, ein kleines Dorf im Hafengebiet bei Amsterdam. Das sollte vor Jahrzehnten mal platt gemacht werden für eine Hafenerweiterung, wurde dann besetzt und ist jetzt ein Künstlerdorf „so ähnlich wie Christiania aber ohne die ganzen Touristen“ wurde es uns beschrieben. Davon gehört und auch schon ein paar Bewohner kennen gelernt hatten wir auf der Fusion 2015, da war nämlich praktisch das ganze Dorf zu Besuch.
Auf dem Autobahnring um Amsterdam herum (zwischendurch auch mal echt schönes Panorama auf übers Wasser auf die Stadt, das war genau der Moment wo ich nach etwa zwei Stunden schlafen aufgewacht bin) und dann dem Navi folgend…. durchs Industrie und Hafengebiet. Irgendwie kann ich mir noch nicht so ganz vorstellen, das hier gleich ein verrücktes Künstlerdorf auftaucht – ob wir hier wirklich richtig sind?? Aber dann taucht ein handgemaltes Schild auf und zwischen Containerschiffen, Windkraftanlagen und riesigen Lagerhallen steht an einem kleinem Parkplatz ein kunterbunt angemaltes Häuschen. Daneben ist auch noch eine riesige Krabbe aus Metall-Schrott zusammen geschweißt und „bewacht“ die Straße die weiter ins Dorf führt.


Wir lassen das Wohnmobil auf dem Parkplatz stehen und machen uns zu Fuß auf um Ruigoord zu erkunden. Gesprochen übrigens Rüi–chuurt oder so ähnlich (ch wie in ach, nicht in ich). Im starken Kontrast zu den riesigen gleichförmigen Lagerhallen ringsum gibt es hier knuffige Häuser, Hütten und Bauwägen – alle individuell bemalt, dekoriert und gestaltet. Neben diesen hübschen Behausungen ist noch eine Pferdekoppel, dazwischen halbwilde Gärten. Zwischendurch weht immer ein leichter Schokoladen-Geruch vorbei, ringsherum liegt nämlich der größte Kakao-Verlade-Hafen (der Welt?) – also wenn schon ein Hippie-Dorf mitten im Hafengebiet, dann ist das genau der richtige Ort! Ich hatte die ganze Zeit über auf jeden Fall überdurchschnittlich oft „Containerhafen“ von Dota als Ohrwurm…
Als wir zum ersten Mal ins Dorf laufen, sind sie in der Kirche gerade dabei alles für die Party am Abend vorzubereiten (zum Thema Dschungel zu schmücken mit Plastik-Lianen und Tarnnetzen) und draußen ist gerade ein Trommel-Workshop am Laufen – der, wenn ich die niederländische Website richtig verstanden habe, wohl genau wie die Party in der Kirche jeden Sonntag statt findet. Wir trauen uns noch nicht so richtig, hier Leute anzusprechen und erkunden erst mal weiter das Gelände. Es gibt einen verwilderten Gemüse-Garten mit einer „zu verschenken“-Box, einen aus Paletten selbst gebauten Kinder-Spielplatz, um die Künstler-Häuser herum stehen viele Skulpturen, Kunst ist überhaupt an allen Ecken und Enden versteckt und wir versuchen die Sprüche in Niederländisch zu erraten/übersetzen, die an den Wänden stehen.


In Ruigoord gab es also jede Menge zu entdecken und zu bestaunen, was wir dort aber nicht gefunden haben war… naja, eine „Community“, Leute die in Gemeinschaft leben, an der wir als Besucher vielleicht für eine Weile teilnehmen können. Als ich am Montag noch mal länger alleine durch Ruigoord gestreift bin und mich auch mehr getraut habe mit Leuten da zu quatschen, habe ich dann auch etwas verstanden warum: Die Häuser in Ruigoord sind alle primär als Ateliers und Werkstädten gedacht, es gibt zwar einige Leute die dort auch wohnen + schlafen, aber das ist so nicht vorgesehen und wohl auch nicht wirklich legal. Dadurch das der Großteil der Menschen die dort arbeiten also jeden Abend wieder nach Hause fährt, gibt es natürlich deutlich weniger Gemeinschaft (als wir erwartet hatten). Die Menschen die dort auch übernachten sind überwiegend Künstler die gerade zu Besuch sind, oder Freunde der Künstler, denen die Ateliers sozusagen zum Couchsurfen überlassen werden. Ich hätte trotzdem Lust irgendwann noch mal nach Ruigoord zu kommen, vielleicht auch zu dem Landjuweel Festival, was sie dort jedes Jahr veranstalten.
Etwas mehr von diesem Gemeinschafts-Ding, was wir in Ruigoord gedacht hatten zu finden, haben wir dann am Tag unserer Abreise (Mittwoch) noch direkt um die Ecke gefunden: bei ADM Amsterdam. Auch ein aus Besetzung entstandenes Projekt und auch im Hafengebiet von Amsterdam gelegen, wirkt es doch ganz anders als Ruigoord. Hier gibt es nur zwei feste Häuser, die dafür wesentlich größer sind als die in Ruigoord, ursprünglich gebaut als Wohnungen für Hafenarbeiter, wenn ich das richtig verstanden hab. Drumherum ist Wald und „Trailerpark“, also jede Menge Wohnwagen, Wohnmobile, Baucontainer, Zirkuswagen und so weiter… Es ist vor allem deutlich belebter als Ruigoord, uns begegnen bei unserem kurzen Aufenthalt da ein Dutzend Leute, die auch irgendwie offener und einladender wirken als in Ruigoord… Der Hippie der uns auf Fahrrad entgegen kommt grüßt mit Peace-Zeichen, eine Gruppe von Leuten bastelt an den Rücklichtern eines alten Wagens, den wir schon von der Fusion kennen und grüßt uns freundlich. Es ist auch etwas Kater-Stimmung, weil sie gerade am Wochenende ihr großes Festival hatten – hätten wir das mal früher gewusst, aber ich denke da werden wir in zukünftigen Jahren bestimmt mal hin fahren! Obwohl wir da noch so etwas schönes gefunden haben, sind wir aber trotzdem wie geplant weiter nach Süden gefahren – vor allem weil es in Amsterdam gerade so arschkalt war. Der Wind vom Meer pfiff einem zusätzlich noch ständig um die Ohren und ein Blick auf die Temperaturkarte für Europa macht es einfach zu verlockend nach Spanien zu fahren… Aber wir werden ADM bestimmt noch mal besuchen!


Amsterdam haben wir natürlich nicht nur vom Autobahnring aus gesehen, aber dazu bin ich gerade irgendwie weniger motiviert etwas zu schreiben. Es war schön für mich am Sonntag mit Franz und Ben durch die Stadt zu wandern, vieles hat mich an meinen Besuch der Stadt 2010 erinnert, aber gerade dadurch das es halt nicht völlig neu war, war es eben auch weniger reise-aufregend. Ich werde ich hier aber bestimmt noch ein paar Fotos hinwerfen, Amsterdam ist schließlich immer noch eine echt schöne Stadt. :)
Apropos Fotos: Erinnert ihr euch noch wie ich ab Nord-Estland erstmal keine Bilder mehr bloggen konnte, weil die SD Karte in der Kamera kaputt war und sich mit meinen Unterwegs-Mitteln nicht richtig auslesen lies? Ähm, ja, mit dieser SD Karte habe ich weiter fotografiert und – Überraschung! – sie lässt sich an meinem Laptop nicht auslesen -.- Ich habe mir in San Sebastian, Spanien dann zwar eine neue SD Karte gekauft, aber auf die Fotos aus den Niederlanden kann ich antürlich trotzdem noch nicht zugreifen… Also müsst ihr euch mal wieder gedulden, aber das seid ihr von diesem Blog ja schon gewöhnt ;)
Wie immer freue ich mich sehr über jegliche Kommentare zu dem Geschriebenen auf welchem Kanal auch immer, gerne auch Fragen dazu etc. …

Lettland auf dem Rückweg: Berg der Kreuze und Nummernschildverlust

Tja, nun sind wie wieder on the road – und ich habe es nicht geschafft meinen Vorsatz zu erfüllen bis dahin alle Einträge zu der Juli/August Reise wenigstens in kurzer Form nachzureichen… Aber gerade bin ich motiviert zu schreiben, mal gucken ob das mit dem „kurz“ klappt, also weiter mit der Reise:

Also im Anschluss an den Besuch von Kuldiga mit Venta Wasserfall und den Riezupe Höhlen, sind wir die Venta weiter flussaufwärts gefahren, haben auch eine Nacht an ihrem Ufer verbracht – auf einem ausgesprochen schönen Plätzchen übrigens. Der Platz scheint sonst öfter von Anglern benutzt zu werden und so gibt es eine kleine Wiesenfläche mit Feuerstelle, guten Zugang zum Wasser mit einem kleinen Steg – und Anglern als Nachbarn. ^^ Von dort war es nicht mehr weit bis zur lettisch-litauischen Grenze.

Wir hatten uns entschieden in Litauen die Kurische Nehrung (diesmal) doch auszulassen, weil es einerseits einen größeren Umweg bedeutet hätte und wir auch gerade nicht soo Lust darauf hatten. Stattdessen haben wir als nächstes aber eine andere Haupt-Attraktion Litauens angesteuert, nämlich den Berg der Kreuze. Das ist wirklich „einfach nur“ ein Ort an dem massenhaft Kreuze stehen, was jetzt vielleicht nicht so beeindruckend klingt, aber es sind halt wirklich unglaublich Massen. Es gibt da auch eine spannende Geschichte dazu: Der Kryziūų Kalnas ist nicht nur christlicher Walfahrtsort sondern auch Symbol des litauischen Widerstands, es gab über die Jahre nämlich immer wieder Verbote, alle Kreuze wurden weggeräumt oder platt gewalzt – aber schon am nächsten Morgen standen immer wieder neue Kreuze da und es wurden jeden Tag mehr. Das werden sie auch heute noch, zum Touri-Besuch gehört es nämlich dazu sich ein Holzkreuz zu kaufen und de Berg so weiter wachsen zu lassen.

Ich finde es ziemlich schwer den Eindruck dieses Ortes zu vermitteln… Überfluss kommt mir als Wort in den Sinn… es sind so unfassbar viele Kreuze, als wären diese irgendwo hervor gequollen und flößen nun den Berg hinab. An große Kreuzen hängen kleinere Kreuze in die wiederum noch kleinere Kreuze gesteckt sind. An manchen Stellen ist wohl auch eine solche Konstruktion umgestürzt oder zusammen gefallen und es liegt jetzt nur noch ein unordentlicher Haufen da, als wäre dies eine Kreuz-Müllkippe. Von den nicht so qualitativ hochwertigen Kreuzen fallen die Jesusse auch schon mal leicht ab und liegen dann in Haufen auf dem Boden… Die meisten Wege zwischen den Kreuzen sind nur schmal, an ihren Rändern stecken kleine Kreuze im Boden, als wäre die Kreuz-Masse dabei sich auch noch auf die Wege vorzuschieben….

Von den Holz-Kreuzen die man im naheliegenden Shop in allen Größen kaufen kann gibt es natürlich massig, aber insgesamt schon eine große Vielfalt – und teilweise auch Skurilles.

Nach diesem Kreuz-Flash sind wir weiter nach Süden gefahren, Richtung Kaunas, und haben uns auf der Karze einen schönen kleinen See ausgesucht zu dem wir dann hingefahren sind. Wie wir ja wissen, die Karte ist nicht die Landschaft – vor Ort ist der See dicht mit Schilf umgeben und dadurch eher bade-ungeeignet, dafür steht da ein Mahnmal für die hier von Nazis ermorderte Juden des Nachbarorts. Es ist schon bedrückend an so vielen Stellen unserer Reise auf negative Einflüsse Deutschlands zu treffen…

Von dort sind wir am nächsten Tag über rumpelige Straßen nach Kaunas weiter gefahren, der zweitgrößten Stadt Litauens. Dort gab es laut Internet nur zwei Campingplätze, wir sind mal zuerst zu dem billigeren gefahren aber der hatte den Charme eines Parkplatzes. Kein bisschen Grün auf dem Platz, eingezäunt, direkt neben der Autobahn, als großes Highlight einen aufgeblasenen „Pool“ in der Mitte. Dann wohl zum anderen… ^^ Der liegt direkt an einem Badesee und hat auch so einige Bäume, das ist doch schon mal was! :D Dort angekommen müssen wir allerdings feststellen das unser vorderes Kennzeichen nicht mit uns zusammen angekommen ist. Oh nooo…

Tja, was macht man eigentlich wenn man ein Nummerschild verliert? Direkt zur Polizei und weil KfZ-Zulassungsstelle um ein neues Kennzeichen zu holen, sagt das Internet. Ähm, und wenn man im Ausland ist? Ja, das ist schwierig, meint das Internet. Man könnte zum Beispiel jemandem daheim eine Vollmacht ausstellen und die würden dann die Bürokratie erledigen können und einem die neuen Nummernschilder dann zuschicken. Um, I don’t thik so… Naja, wenn es nur ein Schild ist was man verloren hat, kann man mit dem auch noch schnell wieder zurück nach Deutschland fahren, nachdem man es bei der lokalen Polizei gemeldet hat…

Puh, na dann, litauische Polizei, dann machen wir uns wohl mal auf die zu finden… Haben aus dem Internet eine Adresse, fahren also in die Innenstadt und suchen da die Polizeistation. Es ist aber irgendein Feiertag und deswegen so halb geschlossen. Trotzdem ist ein Polizeibeamter da mit dem wir uns mittels Google Translate mehr schlecht als recht verständigen. Er telefoniert und schreibt uns dann eine Adresse auf. Wir wissen nicht genau wo er uns da jetzt hinschickt, es klang zwischen drin nach Touristen-Information?? Es stellt sich aber doch als eine andere Polizeistation heraus, wo es zwei Beamten gibt: Einen anscheinend höher rangigen, der Englisch spricht aber nichts tut, sondern dem anderen übersetzt und diktiert, was der aufschreiben soll. Ist das nun Arbeitsteilung oder eher stille Post spielen? Auf jeden Fall ist den Polizisten nicht so ganz klar was wir jetzt von ihnen wollen, ein neues deutsches Nummernschild können sie uns ja schlecht ausstellen. Und überhaupt, ein Schild haben wir doch noch, damit können wir doch ganz problemlos weiter fahren! Als wir erklären das wir nur den Verlust anzeigen wollen, zucken sie mit den Schultern, naja na gut, sie können uns auf einen Zettel schreiben das wir hier waren und das gesagt haben, ja, wenn es hilft. Auf die Nachfrage ob es denn wirklich ok ist so mit nur einem Nummernschild weiter zu fahren meinen sie noch, wir sollten das richtige mal vorne dran machen und für hinten eins malen – na gut, wenn die Polzei das gesagt hat!

Außer der Polizei haben wir nicht so viel gemacht in Kaunas, wir haben noch einen Tag auf dem Campingplatz rumgegammelt, dessen Luxus genossen, uns etwas vom Reisen erholt und Internet genutzt. Als wir am Montag früh losgefahren sind haben wir noch die Schranke vom Campingplatz mitgenommen, die sich viel zu schnell wieder geschlossen hatte… tubdidu…

 

Überblick Reiseroute mit Links zu Blogbeiträgen

Ich habe ein schönes OpenStreeetMap WordPress-Plugin gefunden, und mal zu allen bisherigen Reise-Blogposts Geo-Tags hinzugefügt, die ihr jetzt auf dieser Karte sehen könnt:

 

 

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